Familienrechtliche Gleichstellung von Eltern und Kindern unabhängig vom Familienstand
Alleine Erziehen: Familienrechtliche Gleichstellung von Eltern und Kindern unabhängig vom Familienstand
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Sorgerecht und Unterhaltsrecht

Sorgerecht

Vor 20 Jahren begann ein Paradigmenwechsel, der mit Inkraftsetzung der Reform des Kindschaftsrechts am 1. Juli 1998 rechtsverbindliche Wirkung erreichte.

Bis in die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts sah das Leitbild für Kinder bei Trennung und Scheidung der Eltern vor, dass es für das Kindeswohl am besten sei, wenn das Kind bei einem Elternteil lebt und wenig Kontakt zum anderen Elternteil hat (damit Konflikte vermieden werden und das Kind ‚zur Ruhe kommt’).

Forschungsergebnisse machten aber zunehmend deutlich, dass Kinder unter der Trennung und Scheidung der Eltern langfristig besonders dann leiden, wenn sie damit quasi auch einen Elternteil „verlieren“.

Inzwischen wird das Leitbild der fortdauernden Elternschaft trotz Trennung auf der Paarebene postuliert. Dem Leitbild „Sie gehen als Paar auseinander – aber Sie werden Ihr Leben lang gemeinsam Eltern bleiben“ entsprechend wird heute bei dauerhaften Trennungen bzw. Scheidungen über die elterliche Sorge nur noch auf Antrag beider Eltern oder eines Elternteils familiengerichtlich entschieden.

2009 blieb in 90 % aller Scheidungsfälle die gemeinsame elterliche Sorge bestehen, weil weder Mutter noch Vater einen Antrag auf alleinige Sorge gestellt hatten (aus: Statistisches Bundesamt, Justiz auf einen Blick, 2011, Seite 50).

Für die kindliche Befindlichkeit ist jedoch entscheidender als die formaljuristische Sorgerechtsregelung, wie sich die Beziehungen zu den Eltern und zwischen den Eltern nach der Trennung gestalten – was wiederum entscheidend von den Kompetenzen der Eltern abhängt, Konflikte konstruktiv zu bearbeiten, kindeswohlorientierte Kompromisse zu schließen usw. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass finanzielle Nöte oft Konflikt verschärfend wirken und wohlhabendere Eltern sich Entlastung und Unterstützung verschaffen können, die beispielsweise arbeitslose Alleinerziehende oder Geringverdienerinnen nicht zu finanzieren in der Lage sind.

Mit Blick auf die zunehmende Zahl der so genannten Stief- oder Patchworkfamilien haben seit dem 1. August 2001 Lebenspartner eines allein sorgeberechtigten Elternteils die Möglichkeit, sich an der Ausübung der elterlichen Sorge zu beteiligen. Im Einvernehmen mit dem sorgeberechtigten Elternteil hat der Lebenspartner bzw. die Lebenspartnerin jetzt die Befugnis zur Mitentscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens.

Bei nicht verheirateten Eltern ist bisher die ledige Mutter zunächst allein sorgeberechtigt, es sei denn, die gemeinsame elterliche Sorge wurde durch einvernehmliche Abgabe einer gemeinsamen Sorgeerklärung rechtlich vereinbart.

Die aktuelle Rechtsprechung und Gesetzgebung orientiert sich jedoch weiter zunehmend am Leitbild der gemeinsamen elterlichen Sorge als Regelfall (auch bei nicht miteinander verheirateten Eltern). So trat zum 19. Mai 2013 die Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern in Kraft, die es den Vätern nicht ehelich geborener Kinder ermöglicht, die gemeinsame elterliche Sorge zu beantragen, wenn die Mutter keine gemeinsame Sorgeerklärung mit unterschrieben hat. Der Antrag des Vaters soll zukünftig nur dann abgelehnt werden, wenn die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl widerspricht. Der Gesetzgeber unterstellt damit, dass die gemeinsame Sorge generell dem Kindeswohl dient und nur im Ausnahmefall ein Elternteil allein sorgeberechtigt sein soll.

Unterhaltsrecht

Am 1. Januar 2008 trat das neue Unterhaltsrecht mit zwei Kernpunkten in Kraft 1. einer geänderten Rangfolge der Unterhaltsberechtigten (im Mangelfall) und 2. Neuregelungen zum Betreuungsunterhaltsanspruch von Alleinerziehenden.

Seit Januar 2008 stehen minderjährige Kinder sowie Kinder unter 21 Jahre, die noch zur Schule gehen und im Haushalt eines Elternteils leben, im 1. Unterhaltsrang, d. h. ihre Ansprüche gehen denen aller anderen Unterhaltsberechtigten vor. Zwischen ehelichen Kindern und denen, deren Eltern zum Zeitpunkt der Geburt nicht miteinander verheiratet waren, wird nicht mehr unterschieden.

Im 2. Unterhaltsrang stehen Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Falle einer Scheidung wären. Ebenfalls in den 2. Rang aufgenommen wurden – nach langer Diskussion und zahlreichen kritischen Stellungnahmen im Vorfeld – nichtbetreuende (geschiedene) Ehegatten nach langer Ehedauer.

Im Vergleich zur Gesetzgebung vor 2008 resultieren aus den Neuregelungen Verschlechterungen für geschiedene allein Erziehende, die vom 1. in den 2. Rang rutschten, und Verbesserungen für Kinder betreuende nichteheliche Mütter und Väter, die vom 3. Rang in den 2. aufstiegen.

Allein erziehende Elternteile haben jetzt einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt generell für mindestens drei Jahre, gerechnet ab der Geburt des Kindes. Eine Verlängerung ist nur möglich, soweit dies der Billigkeit entspricht, wenn das Kind einer längeren Betreuung durch den Elternteil bedarf oder keine anderen Möglichkeiten der Kinderbetreuung bestehen.

Unterhaltsrechtlich vorgegeben ist nun also die Erwerbstätigkeit allein erziehender Mütter, sobald das jüngste Kind drei Jahre alt ist – und finanziell erforderlich ist in der Regel eine Vollzeittätigkeit. Voraussetzung dafür ist der mit erheblichen Kosten verknüpfte Ausbau von Ganztagsbetreuungsangeboten – der sich gesamtwirtschaftlich längerfristig jedoch lohnt, wie aktuelle Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft belegen.

Politisch angestrebt wird sogar eine noch frühzeitigere Erwerbstätigkeit der Mütter: „Ein flächendeckendes Betreuungsangebot könnte 110.000 Alleinerziehenden die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ermöglichen (IW Köln 2012:56). Besonders Mütter mit Kindern im Alter zwischen einem und drei Jahren profitieren von einem flächendeckenden Betreuungsangebot; deren Erwerbsbeteiligung könnte von 32 auf 69 Prozent steigen.“

Petra Winkelmann

(aus: Alleinerziehende in Deutschland – Lebenssituationen und Lebenswirklichkeiten von Müttern und Kindern, BMFSFJ Monitor Familienforschung Ausgabe 28, 2012, Seite 18)