Elterntraining "Kinder im Blick"
Alleine Erziehen: Elterntraining
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Beziehungen neu gestalten - für dich - für mich - für uns mit dem Elterntraining
"Kinder im Blick"

von Gabriele Holland-Junge

Eltern sein - eine Aufgabe- eine Herausforderung -, die uns ein Leben lang bleibt und sich deshalb auch ständig wandelt.

Trennen sich die Eltern, wartet auf beide eine besonders anspruchsvolle Aufgabe.  Es gilt insbesondere die eigenen Kinder nicht aus dem Blick zu verlieren, denn die Paarkonflikte erschweren oft die Kommunikation zwischen Vater und Mutter.

So trafen sich 16 alleinerziehende Frauen mit Ihren Kindern an einem Wochenende in Rot an der Rot (Baden-Württemberg) zu einem Elterntraining, das das Ziel im Titel trägt: „Kinder im Blick“.

Trotz unterschiedlichem Alter der Kinder und individueller Lebens- und Trennungsbiografie hatten alle Teilnehmerinnen zwei Dinge gemeinsam: Ihre Paarbeziehung ist durch Trennung und Scheidung beendet worden. Gleichzeitig sind und bleiben sie Eltern auf Lebenszeit.

Nach der Trennung ist nichts mehr so wie es früher einmal war und alle Betroffenen hatten und haben die Aufgabe einen neuen Lebensabschnitt für sich, für ihre Kinder und wenn möglich auch zum anderen Elternteil zu gestalten.

Keine einfache Aufgabe, zumal Wut, Angst, Kränkung und Verlusterfahrung in diesem Prozess mit einher gehen können und das Denken und somit das Fühlen und Handeln zum Elternpartner*in mitbestimmen. Vor allem die Kinder durchleben bei einer Trennung ein Gefühlschaos. Nicht selten geben sie sich die Schuld an der Trennung ihrer Eltern. In ihrer Gedankenwelt haben sich Papa und Mama vielleicht getrennt, weil sie als Kinder nicht genug gelernt haben oder weil sie „böse“ waren.

Ein hilfreiches Angebot in dieser schwierigen Trennungsphase ist das Elterntraining „Kinder im Blick“, entwickelt von einem Team der Ludwig-Maximilian-Universität München. Eltern sollen in diesem Kurs unterstützt werden, eine gute Beziehung zu ihrem Kind zu pflegen, die Kommunikation zum Ex-Partner zu verbessern und eine gute Selbstfürsorge zu pflegen. Wünschenswert ist es, wenn beide Elternteile getrennt an einem Kurs teilnehmen können Ziemlich viel Stoff für das Wochenende, zumal jede Familie ihre eigene Lebenssituation, ihre eigenen Fragen und Antworten hat und in diese Tage mitbringt. In theoretischen Inputs, Austausch in Kleingruppen und im Plenum, sowie in kleineren Rollenspielen und im kreativen Gestalten wurden diese Themenbereiche angegangen.

Das erste Thema des Trainings heißt: „Wie sie für sich selbst in stressigen Situationen gut sorgen können.“  

Es geht um die Fragen: Wie entsteht Stress; wie reagiere ich individuell in stressigen Situationen und welche Pausenknöpfe helfen mir dabei, mich wieder zu stabilisieren. Das Modell „Der Achterbahn“ verdeutlicht, wie Konflikte entstehen, wie sie sich durch Gedanken und innere Kommentare verselbständigen und zu unerwünschten Reaktionen auf beiden Seiten führen können. Ziel soll sein, diese Dynamik in der Achterbahn zu erkennen und durch hilfreiche eigene innere Kommentare, eine Entgleisung der Kommunikation zu vermeiden.

Für Kinder sind ihre Eltern wie ein Buch in dem sie lesen und lernen. Nach diesem Vorbild bauen sie auch ihre eigenen Konfliktmodelle für ihr eigenes Leben auf. In diesem Zusammenhang wird oft folgende Frage gestellt: Schadet eine Trennung meinem Kind?   Jesper Juul, der 2019 verstorbene dänische Familientherapeut, findet dazu deutliche Worte: „Wenn die Eltern zumindest so unverfänglich und anständig „wie Fremde“ miteinander umgehen, dann schadet die Trennung den Kindern nicht. Sie ist emotional fordernd, sie ist traurig, aber sie schadet nicht. Nach meinem Verständnis schadet man einem Kind, wenn man etwas tut oder unterlässt, dass ihm seine Lebensfreude und Energie raubt. Mehr als alles andere brauchen unsere Kinder also die Erfahrung, dass ihre Eltern im Prozess der Trennung anständig und fair miteinander umgehen. Wenn man das nicht schafft, sollte man besser gar nicht miteinander umgehen.“

Oft verfestigt sich destruktives Konfliktverhalten über die Trennungszeit hinaus und belastet die Kinder in ihrem Bedürfnis nach einem emotionalen Nest. Man kennt sich als Paar und Eltern ja schon lange und weiß, wie man sich auch nach der Trennung weiterhin verletzten kann. Kinder fühlen sich dann für ihre Eltern verantwortlich und stellen ihre eigenen Bedürfnisse zurück oder verdrängen sie. Langfristig wirkt sich diese Strategie fatal auf ihre eigene kindliche Entwicklung, sogar bis ins spätere Erwachsenenleben hinein, aus.

Hier knüpft das nächste Thema an: 

„Nur wer sein Kind im Blick behält, kann wissen, was es braucht – mit dem Kind eine gute Beziehung pflegen“. 

 Die Einheit beginnt mit einem Input über die „vier Grundlagen der Erziehung“:

  1. Kinder benötigen einen Lebensraum, indem sie sich sicher fühlen
  2. Kinder brauchen Zuwendung, Liebe und Anerkennung.
  3. Kinder benötigen in Zeiten der Trennung eine klare Orientierung
  4. Kinder benötigen Autonomiespielräume.

Im praktischen Elterntraining wird das Formulieren des „Beschreibenden Lob“ für Kinder geübt. Wie wertvoll, die mit ihrem Kind verbrachte Zeit ist, machen sich Eltern in Rollenspielen und Gesprächen mit anderen Eltern bewusst. Die letzte und sicherlich schwierigste Einheit für alle Beteiligten war das Thema: „Wenn das Wir ins Spiel kommt – Wir haben etwas gemeinsam: unser Kind“. Es folgt eine erste Einführung in Fertigkeiten der Kommunikation, unter besonderer Berücksichtigung der Zuhörer- und Sprecherfertigkeiten. Das kreative Spiel „Wir ziehen gemeinsam an einem Strang“, sensibilisiert für die Frage: was können wir unserem Kind als Eltern mitgeben, damit es sich zu einem „starken Kind“ entwickelt. Dabei wird noch einmal die Wichtigkeit und das Einhalten gemeinsamer erzieherischer Absprachen und Werte deutlich.

In einer letzten Übung zum Thema „Die andere Reaktion“ konnte nachvollzogen werden, wie die permanente Entwertung eines Elternteils durch den anderen sich in der Beziehung der Kinder zu beiden Elternteilen langfristig auswirkt. Das Selbstbewusstsein der Jüngsten wird dabei dauerhaft geschwächt, da es sich sowohl mit dem Vater als auch mit der Mutter identifiziert und beide gleich liebhaben möchte. Bei der „Anderen Reaktion“ vermitteln Eltern ihrem Kind, dass sie die Gefühle und Bedürfnisse zum andern Elternteil respektieren und achten. Die meisten Teilnehmer*innen des Elterntrainings spüren, dass dies das größte Geschenk ist, das sie ihren Kindern machen können. 

Gabriele Holland-Junge, Herbrechtigen
Dipl.-Sozialpädagogin (FH),  Kursleiterin für „KiB“ („Kinder im Blick“) ➡ www.kinder-im-blick.de